Zitate:

Die hier zusammengestellten Zitate geben lediglich einen kleinen Eindruck von Korczaks Denken und Werk. Für eine eingehendere Auseinandersetzung sei die kritische Gesamtausgabe empfohlen (siehe Literatur).

Korczak: Das Kind neben dir
Zitate aus dem Buch "Das Kind neben dir", von Barbara Engemann, Volk und Wissen bzw. neu Luchterhand Verlag, 1990

    "Der Weg, den ich zu meinem Ziel hin eingeschlagen habe, ist weder der kürzeste noch der bequemste; für mich jedoch ist er der beste, weil er mein eigener Weg ist." (1926, Artikel in der polnischen Zeitschrift "Szkola Specjalna")

    "Es ist einer der bösartigsten Fehler anzunehmen, die Pädagogik sei die Wissenschaft vom Kind - und nicht zuerst die Wissenschaft vom Menschen"

    "Wenn ich wieder klein bin": " ... Ich bin erst ein paar Stunden Kind und habe schon soviel erlebt. Zweimal war ich voller Angst. Zuerst, weil der Kamerad mir das Heft abnahm, das war sehr unangenehm; dann das mit dem Direktor ... Ich war voller Scham, als man mich wie einen Dieb am Kragen packte. Einen Erwachsenen packt keiner am Kragen und schüttelt ihn, wenn er unbeabsichtigt jemanden stösst ... Wenn ich noch einmal Lehrer bin, werde ich niemals einen Schüler, der Kummer hat, aus seinen Gedanken reissen. Soll er nachdenken, sich beruhigen, ausruhen ..."

    "Kein Buch und kein Arzt können das eigene wache Denken, die eigene, sorgfältige Beobachtung ersetzen."

    "Ich wünsche niemandem etwas Böses. Ich kann das nicht. Ich weiss nicht, wie man das macht" (Aus K.orczaks letzter Eintragung in sein Tagebuch, am 4.8.1942, einen Tag vor dem Abtransport nach Treblinka und nach schmerzvollen Entbehrungen und bitteren Erfahrungen im Ghetto Warschaus).

    "Das Kind lehrt und erzieht. Für den Erzieher ist das Kind das Buch der Natur; indem er es liest, reift er. Man darf das Kind nicht geringschätzen. Es weiss mehr über sich selbst als ich über das Kind ...". "... Sie fordern dickköpfig: Sei uns ein Vorbild und - ganz der Hauptforderung jeder Erziehungstheorie entsprechend - gib uns ein Beispiel, nicht mit Worten, sondern mit Taten. Der Erzieher steht vor dem Dilemma: entweder beginnt er die beschwerliche, mühsame und unendliche Arbeit an seiner eigenen Unvollkommenheit, oder er verbannt - was wesentlich bequemer ist - die Theorie ... Schon ist der Erzieher nicht mehr der Vertreter der Sache des Kindes, der Verteidiger der Jungen, Kleinen, Schwachen, Seelsorger der Unerfahrenen, sondern ein Wächter, befangener Ankläger, Verwalter, Menschenschinder. Schon ist er nicht mehr Erzieher, sondern Inspektor, Leiter des Gebäudes, über dessen Kanalisation, Inventar, ein Magazinverwalter von Hosen und Schuhe ... Den Weg zur Selbsterziehung und zum Kampf gegen dich selbst findest du, junger Erzieher, nur in dir."

    "Wir sollten Achtung haben vor den Geheimnissen und Schwankungen der schweren Arbeit des Wachsens! Wir sollten Achtung haben vor der gegenwärtigen Stunde, vor dem heutigen Tag. Wie soll das Kind imstande sein, morgen zu leben, wenn wir ihm heute nicht gestatten, ein verantwortungsvolles, bewusstes Leben zu führen? In unserer Bequemlichkeit möchten wir, dass kein Kind aus der Rolle fällt, dass in den zehntausend Sekunden einer Unterrichtsstunde keine einzige uns aus unserer Ruhe bringt."

    "Wir fordern Achtung vor ihren (der Kinder) hellen Augen, glatten Stirnen, ihren Bemühungen, ihrem Vertrauen in die Zukunft. Warum sollte ihnen weniger Achtung gebühren als den erloschenen Blicken, den gerunzelten Stirnen, den grauen Haaren, der gebeugten Resignation?"

    "Entsagen wir also der trügerischen Sehnsucht nach vollkommenen Kindern."

    "Ein Gleichaltriger vermag viel. Die Erwachsenen fauchen zu oft, zwar lehren sie auch, doch so von oben herunter, unfreundlich. Es gibt aber Dinge, da hilft kein kühles, kluges, erfahrenes Wort, sondern nur der warmherzige und gute Rat eines Gleichaltrigen ..."

    "Wann sollte ein Kind laufen und sprechen? Dann, wenn es läuft und spricht. Wann sollten die Zähnchen durchbrechen? Eben dann, wenn sie sich zeigen. Auch die Fontanelle sollte dann zuwachsen, wenn sie sich eben von selbst schliesst. Und das Kind sollte so lange schlafen, bis es ausgeschlafen ist."

    Korczak als Anwalt für Rechte der Kinder: "Ich fordere die Magna Charta Libertatis als ein Grundgesetz für das Kind. Vielleicht gibt es noch andere - aber diese drei Grundrechte habe ich herausgefunden:

        Das Recht des Kindes auf seinen Tod;

        Das Recht des Kindes auf den heutigen Tag;

        Das Recht des Kindes, so zu sein, wie es ist."

    "Man muss die Kinder kennen, um bei der Gewährung dieser Rechte möglichst wenig falsch zu machen. Irrtümer müssen sein. Seien wir nicht ängstlich: das Kind selbst wird sie mit erstaunlicher Wachsamkeit korrigieren, wenn wir seine unschätzbaren Fähigkeiten und mächtigen Abwehrkräfte nicht schwächen." "Also sollte man alles erlauben? Durchaus nicht: Wir würden aus einem sich langweilenden Sklaven nur einen blasierten Tyrannen machen. Durch Verbote stärken wir immerhin seinen Willen, wenn auch nur in der Selbstbeherrschung und Entsagung, wir entwickeln seine Phantasie, auf engem Raume tätig zu sein, seine Fähigkeit, sich einer Kontrolle zu entziehen; und wir wecken seine Fähigkeiten zur Kritik … Wir müssen die Grenzen seiner und meiner Rechte abstecken."

    "'Du bist jähzornig', sage ich zu einem Jungen. 'Nun ja, dann schlag nur zu, aber nicht zu fest; brause nur auf, aber nur einmal am Tag.' Wenn ihr so wollt, habe ich in diesem einen Satz meine ganze Erziehungsmethode zusammengefasst."

    "Es ist besser, die Tinte rechtzeitig fortzuräumen, als sich später darüber zu ärgern, dass sie umgekippt ist."

    Korczak über die Schule: "... über die Schule werden viele Bücher gedruckt, aber nur für die Erwachsenen; für die Schüler schreibt man überhaupt nichts über die Schule. Das ist äusserst merkwürdig. Ein Schüler verbringt doch so viele Stunden in der Schule, er denkt so oft an sie und findet gerade dort so viel Freude und Kummer."(Korczak plädiert für ein Schulmuseum in jeder grossen Stadt, damit man den Wandel der Schule anschaulich und konkret erfährt.)

    "Oft hört man: 'Wenn du nur wolltest.' Er will ja, der Ärmste, aber er kann nicht."

    "Ein Dichter ist ein Mensch, der sehr ausgelassen und tieftraurig sein kann, der leicht aufbraust und leidenschaftlich liebt - ein Mensch, der tief empfindet, der Rührung und Mitleid kennt. Und genauso sind auch die Kinder. Ein Philosoph ist ein Mensch, der sehr gründlich nachdenkt und unbedingt wissen will, wie alles wirklich ist. Und wiederum, genauso sind die Kinder auch. Kindern fällt es schwer, auszudrücken, was sie empfinden und woran sie denken, weil man das alles in Begriffe fassen muss. Und schreiben ist noch viel schwerer. Aber Kinder sind ihrem Wesen nach Dichter und Philosophen ..."

Aus Janusz Korczak: Von der Grammatik
Zitate aus Beiner/Lax-Höfer, Agentur Dieck, 1991

    Korczak suchte eine "Verbrüderung der aristokratischen Theorie mit der demokratischen Erziehungspraxis". Sein Werk darf nicht als Rezeptbuch genommen werden, sondern als Quelle der Inspiration für die Suche nach einer pädagogischen Begegnung mit dem Kind.

    "Die Praxis - das ist meine Vergangenheit, mein Leben, die Summe der subjektiven Erfahrungen, die Erinnerung an Misserfolge, Enttäuschungen, Niederlagen, Siege und Triumphe, an negative und positive Gefühle" (Aus "Theorie und Praxis", 1925, in Ausgewählte Schriften, Bd. II, S. 121; vgl. neu in kritischer Werkausgabe).

    "In der Erziehung ist alles Experiment. Ich versuche es mit Milde und mit Strenge, ich versuche zu untertreiben und zu übertreiben. Wir haben nicht die Absicht, unser Versuchsprogramm aufzugeben für ein despotisches Dogma. Der Versuch sollte vorsichtig und besonnen durchgeführt werden und niemanden in Gefahr bringen - ein solcher Versuch ist unser ganzes Erziehungssystem."

    "Die Namen von Pestalozzi, Fröbel und Spencer leuchten nicht minder hell als die der grössten Erfinder des 19. Jahrhunderts. Sie entdeckten mehr als unbekannte Naturkräfte, sie entdeckten die unbekannte Hälfte der Menschheit: die Kinder." "Kinder werden nicht erst zu Menschen - sie sind schon welche. Ja! Sie sind Menschen, keine Puppen. Man kann ihren Verstand ansprechen - sie antworten uns; sprechen wir zu ihren Herzen - fühlen sie uns. Kinder sind Menschen; in ihren Seelen sind Ansätze all der Gedanken und Gefühle, die wir besitzen. Also gilt es, diese Ansätze zu entwickeln, ihr Wachsen behutsam zu lenken."